Der Zusammenhang zwischen
neoliberaler Wirtschaftspolitik und Krieg

v o n   M a r i a   M i e s

"Krieg ist gut für die Wirtschaft"

Hazel Henderson

 

Viele Menschen fragten, wieso ein Krieg wie der in Jugoslawien heute wieder in Europa möglich war. Sie haben aber nicht gefragt, warum ähnliche Kriege schon seit längerer Zeit, aber mindest seit zehn Jahren überall auf der Welt aufbrachen, allerdings vor allem in den armen Ländern des Südens. Solche Kriege wurden meist mit "Standesfehden" oder "ethnischen Konflikten" erklärt, manchmal auch mit der "Rückständigkeit" oder Armut solcher Länder. Kaum jemand kam auf die Idee, solche "Bürgerkriege" als Folge des neoliberalen, inzwischen globalisierten Freihandelsmodells zu sehen. Wirtschaft und Handel gelten ja in der Regel als friedliche Angelegenheiten. Demgegenüber ist es meine Hauptthese, daß diese heute überall aufbrechenden "Bürgerkriege" (der Begriff stimmt eigentlich nicht) nicht nur eine Folge der weltweiten neoliberalen Wirtschaftspolitik sind, sondern diese Politik auch weiter fördern.

Diese These möchte ich am Beispiel des NATO-Krieges in Jugoslawien erläutern.

Was bei dem NATO-Krieg in Jugoslawien fast nicht erörtert wurde, sind die geopolitischen und wirtschaftlichen Interessen der NATO-Länder, besonders der USA, aber auch der EU, hier besonders Deutschlands, die hinter diesem Krieg stehen. Dieser Krieg ist ja nicht vom Himmel gefallen, sondem wurde von langer Hand vorbereitet. Einmal durch die Destabilisierung der jugoslawischen Wirtschaft durch Weltbank und den Internationalen Währungsfonds (IWF), der – wie in der 3. Welt – seine Strukturanpassungsprogramme benutzte, um die jugoslawische Wirtschaft auf neoliberalen Kurs zu bringen und damit ruinierte. Dieser Prozeß der Destabilisierung der jugoslawischen Wirtschaft vollzog sich vor allem seit 1990. Chossudovsky hat diesen Zerstörungsprozeß schon 1996 am Beispiel Bosniens ausführlich analysiert: Seit den achtziger Jahren haben die Westmächte mit Hilfe von Weltbank und IWF die Ökonomie Jugoslawiens, die auch vorher nicht mehr gut funktionierte, "in die Knie gezwungen". Die erste Phase der gesamtwirtschaftlichen, neoliberalen "Reformen" begann 1980 und hatte, bis 1990, den Absturz des Wirtschaftswachstums um 10,6 Prozent zur Folge. Der prowestliche Ante Marcovic reiste 1989 nach Washington, wo er George Bush traf. Er kam zurück mit einem Austeritätspaket. Wie bei den verschuldeten Ländern in der Dritten Welt gehörten zu diesem Sparpaket: Abwertung der Währung, Einfrieren der Löhne, Beschneidung der Regierungsausgaben, Auflösung der selbstverwalteten Betriebe. All dies waren Bedingungen für die Gewährung von Krediten. 1990 wurde Jugoslawien vom IWF ein Strukturanpassungsprogramm verordnet. Ziel dieser "Reformen" war die Privatisierung der Betriebe, die Abschaffung des Gesetzes über die "Basisorganisationen der Assoziierten Arbeit", die Öffnung des Landes für ausländische Konsumgüter und Investitionen. Diese Privatisierung wurde mit Hilfe der Bürokratie der Kommunistischen Partei durchgeführt. Ihr wurde wirtschaftliche und politische Unterstüt:zung angeboten unter der Voraussetzung, daß eine umfassende Abschaffung sozialer Rechte der jugoslawischen Arbeiterschaft durchgesetzt werde.

Die Folgen dieser "Reformen" waren verheerend. Die Steuereinnahmen des Bundes, die als Ausgleich für die Teilrepubliken gedacht waren, wurden zum Schuldendienst gebraucht. 600.000 Arbeiter von insgesamt 2,7 Millionen wurden arbeitslos, die Reallöhne fielen, die Sozialprogramme versagten. Das IWF-Programm führte zu einer Reihe von Konkursen.

Waren es 1989 erst 248 Betriebe gewesen, die den Bankerott anmeldeten, so waren es 1990, nach Annahme des Strukturanpassungsprogramms, schon 889 Betriebe.

Die Arbeiter wehrten sich und 600.000 gingen auf die Straße. Wie Chossudovsky bemerkt, waren damals kroatische, serbische, albanische und bosnische ArbeiterInnen noch einig im Kampf gegen die neoliberale Politik. Doch das Wirtschaftswachstum und die Industrieproduktion gingen weiter zurück. Hinzu kam eine Importflut ausländischer Konsumgüter, die aus den IWF-Krediten finanziert wurden. Einheimische Betriebe wurden von ausländischen Investoren verdrängt. Eine Atmosphäre der Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung breitete sich aus.

Nach Chossudovsky war es das Sparpaket von IWF und Weltbank und die von diesen Institutionen betriebene neoliberale Wirtschaftspolitik, die "einen unwiderruflichen Beitrag zur Zerstörung eines ganzen Landes geleistet haben". Doch die Rolle dieser Institutionen sei seit dem Kriegsausbruch 1991 bewußt übersehen worden. Die "freie Marktwirtschaft" sei weiterhin als die einzige Lösung präsentiert worden, um eine kriegszerstörte Wirtschaft wieder aufzubauen. Anstatt die Menschen im In- und Ausland über diese ökonomischen Hintergründe aufzuklären, habe man ethnische und religiöse "Unterschiede" und "Todfeindschaften" als einzige Ursache der aufbrechenden Kriege hervorgehoben. Diese Kriege seien aber nur die Konsequenz aus dem tiefer liegenden Prozeß ökonomischer und politischer Widersprüche (Chossudovsky, 1996).

Chossudovsky stellte schon 1996 fest, daß es sich bei dieser neoliberalen Politik letztlich um eine "Re-Kolonisierung" Jugoslawiens und des ganzen Balkans handele. Doch es waren nicht nur die Weltbank und der IWF, die ein Interesse an der Zerschlagung Jugoslawiens hatten. Auch die deutsche Regierung, vor allem die FDP, hat maßgeblich dazu beigetragen, daß das alte koloniale Prinzip des Teile-und-Herrsche in Jugoslawien wieder Anwendung fand. Erich Schmidt-Eenboom hat nachgewiesen, daß Deutschland seit 1981 bereits Aktionen zur Zerschlagung der Bundesrepublik Jugoslawien eingeleitet hat. Unter dem damaligen FDP-Aussenminister Klaus Kinkel wurde die Teilung Jugoslawiens mit allen nachrichtendienstlichen Mitteln vorangetrieben (Schmidt-Eenboom 1995, S. 211 ff., zit. bei Göbel 1997, S. 8-9). Rüdiger Göbel beschreibt die Rolle Deutschlands bei der "Balkanisierung" des Balkans als Fortsetzung früherer Großraumpolitik auf dem Balkan: "Dabei versucht die BRD an Konflikten zwischen Einwohnern verschiedener Sprachen oder Weltanschauungen innerhalb eines bestimmten Staates oder Staatenbundes anzuknüpfen. Konflikte, die überwiegend auf Mißständen oder Ungleichmäßigkeiten wirtschaftlicher Art beruhen, … werden als ethnische ausgegeben; der Begriff der ‘Ethnisierung des Sozialen’ bringt dies am besten zum Ausdruck … Unter der Parole vom ‘Selbstbestimmungsrecht der Völker’ wurde die Sezession der baltischen Republiken von der Sowjetunion ebenso unterstützt wie später die kroatische und slowenische Sezession von Jugoslawien." (Göbel 1997, S. 7) Ziel dieser Förderung sezessionistischer Tendenzen sei, "die losgelösten Teile als wirtschaftlich und politisch abhängige Gebilde zur eigenen Großraumbildung anzugliedern" (Göbel 1997, S. 6-7).

Die reicheren Bundesstaaten, Kroatien und Slowenien, brachen, unterstützt und animiert von Deutschland, zuerst aus der Bundesrepublik Jugoslawien aus. Diese sezessionistische Politik wurde im Kosovo noch eindeutiger durch USA und EU unterstützt.

Auch im Kosovo ging es letztlich um eine ähnliche Balkanisierungspolitik und um die Expansion neoliberaler Wirtschaft, allerdings nicht mehr nur im Interesse eines Landes, sondern insgesamt der westlichen Welt und ihrer Führungsmacht USA. Das beweist bereits der Rambouillet-Vertrag. Dort ist zu lesen:

Artikel 1

1. "Die Wirtschaft des Kosovo soll in Übereinstimmung mit Prinzipien des freien Marktes funktionieren" (…)

6. "Bundes- und andere Autoritäten sollen innerhalb ihrer jeweiligen Machtbefugnisse und Verantwortlichkeiten die freie Bewegung von Personen, Gütern, Dienstleistungen und Kapital sicherstellen, einschließlich derer aus internationalen Quellen.Vor allem sollen sie ohne Diskriminierung Personen den Zugang zum Kosovo erlauben, die solche Güter und Dienstleistungen liefern."

Artikel II

1. "Die Vertragsparteien stimmen zu, daß Eigentumsrechte und Ressourcen so weit wie möglich zusammen mit der Verteilung von Machtbefugnissen und Verantwortlichkeiten, wie sie in diesem Vertrag festgelegt wurden, neu verteilt werden, und zwar für die folgenden Gebiete:

a) staatseigene Vermögenswerte (einschließlich Bildungseinrichtungen, Krankenhäuser, natürliche Ressourcen und Produktionsstätten)

(Quelle: http:// www.state. gov/www/eurlksvo rambouillet text html) (Übers. M. M.)

Hier ist zu fragen, was haben solche Klauseln zur radikalen kapitalistischen Umstrukturierung der Wirtschaft eigentlich in einem Friedensabkommen zu suchen?

 

Der "humanitäre Kriegsauslöser"

Bis vor kurzem waren die wirtschaftlichen Interessen hinter Kriegen immer noch mehr oder weniger deutlich zu identifizieren. Während des Golfkrieges schrieben sogar Kinder in Köln auf die Straße: "Kein Krieg für Öl!" Sie verstanden, daß es bei diesem Krieg nicht eigentlich um den "zweiten Hitler" Saddam Hussein ging, sondern um die Kontrolle "unseres" Öls am Persischen Golf. Und die Ökonomin Hazel Henderson hat nachgewiesen, daß dieser kurze Golfkrieg die USA aus der Rezession herausgezogen hat. Nach dem Golfkrieg verzeichneten die USA ihren ersten Handelsüberschuß seit 1982. Dieser Handelsüberschuß sei allein auf die 22,7 Billionen US Dollars zurückzuführen, die von den Koalitionspartnern des Golfkriegs in die Staatskasse geflossen seien, schrieb damals der USA TODAY. Schon vor dem Krieg hatten einige Wirtschaftsexperten verkündet, "daß ein kurzer Krieg die USA aus der Wirtschaftsrezession herausziehen würde" (Henderson 1993, S. 235). In den USA seien viele Menschen der Meinung, daß Krieg gut für die Wirtschaft sei, denn Krieg schaffe Arbeitsplätze. Der Golfkrieg habe aber dieser Alltagsmeinung noch eine weitere Dimension hinzugefügt. Er habe einen neuen Trend in der US-Politik begründet, nämlich die Entwicklung hin zu einer "Söldnerwirtschaft". Die USA lassen sich ihre Kriege bezahlen, wenn sie als Weltpolizist auftreten.

"Rent yourself a Superpower" titelte damals der Londoner ECONOMIST.

"Da die USA Exporte verliert, kann sie ihr militärisches Potential verkaufen, das sie zweifellos besitzt. Die Trillionen, die die USA in ihren militärisch- industriellen Sektor investiert hat, bestimmen einen großen Teil unserer nationalen Politik und Lobbies in Washington" (Henderson, 1993 S. 237).

Der NATO-Krieg im Kosovo jedoch ist der erste neuere Krieg, bei dem die Wirtschaftsinteressen der kriegführenden Mächte hinter einem humanitären Dunstschleier verborgen sind. Der Medienkrieg über die "humanitäre Katastrophe" im Kosovo, die eine militärische Intervention erforderlich mache, hat bei der Mehrzahl der Bevölkerung in Deutschland das Nachkriegstabu gebrochen, daß von deutschem Boden kein Krieg mehr ausgehen solle. Vom März 1999 an sind Kriege, irgendwo in der Welt, wo angeblich eine "humanitäre Katastrophe" zu verhindern ist, wieder eine normale, ja erwünschte Sache. Dabei können die ökonomischen Interessen hinter solchen "humanitären" Kriegen sehr gut verschleiert werden. Die von den Medien erzeugte Panik über – tatsächlich existierende – Greuel erzeugen ein soziales Klima, das nach sofortiger Abhilfe ruft. Sofortige Abhilfe in der Form militärischen Eingreifens. Diese Panikstimmung läßt dann keine Fragen mehr aufkommen, wann, wieso, durch welche Interessen es zu solchen humanitären Katastrophen gekommen ist. Konflikte werden "essentialisiert" (um einmal diesen postmodernen Ausdruck zu gebrauchen), als ewig schon vorhandene Todfeindschaften interpretiert, die nur durch äußere, höhere Gewalt zu "befrieden" seien. Das Orwellsche Newsspeak über "humanitäre Interventionen" ist jedoch notwendig zur Akzeptanzförderung für weitere Ausgaben für die Rüstungsproduktion und von weltweiten Angriffskriegen bei der steuerzahlenden Bevölkerung.

Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts braucht die NATO und der militärisch-industrielle Komplex außerdem eine neue Strategie und eine neue Legitimierung für weitere Rüstungsproduktion und Kriege. In einem globalen Wirtschaftssystem kann das nicht mehr die nationale oder regionale Verteidigung sein. Vielmehr müssen die weltweiten Interessen transnational operierender Konzerne geschützt werden. Für solche Out-of-area-Einsätze – jetzt heißen sie schon Krisen-Reaktions-Einsätze – muß man den Leuten und den Soldaten andere, eben "humanitäre" Begründungen liefern. Allerdings nur dann, wenn sich solche "humanitären Kriege" lohnen. Das war z. B. nicht der Fall in Ruanda oder im Kongo, wo es ähnliche "humanitäre Katastrophen" gab wie im Kosovo.

Dieses "humanitäre" Newspeak dient jedoch nicht nur der Verschleierung der wirklichen Kriegsgründe und der Einführung eines einfachen Schwarz-Weiß-Schemas zur Rechtfertigung von Kriegen, sondern instrumentalisiert auch, das ist besonders infam, die Empörung über Vergewaltigung als Kriegsmittel. Die Bombardierung Jugoslawiens wurde von Herrn Steiner vom Kriegsministerium als notwendig erklärt, um u. a. die Vergewaltigungen im Kosovo zu beenden. Gleichzeitig wird dieser "humanitäre Krieg" genutzt, um Frauen den "Dienst an der Waffe" als akzeptablen, ihrem Emanzipationsinteresse dienlichen, normalen Beruf schmackhaft zu machen. Der Krieg schafft halt "qualifizierte Arbeitsplätze", für Frauen und Männer. Krieg ist gut für die Wirtschaft. Das Pentagon betreibt diese ideologische Kriegsführung auch dadurch, daß es ganz offiziell von "Schurkenstaaten" und "Schurken" redet, die von den "guten" USA oder der NATO eine Lektion erteilt bekommen müssen. In Deutschland funktioniert dieses Schema besonders gut, wenn man diese "Schurken" mit Hitler vergleicht.

Der Krieg in Jugoslawien hat jedoch nichts mit humanitären Gründen zu tun. Er ist die direkte Folge neoliberaler Globalisierungspolitik, die bereits in vielen Ländern zu ähnlichen Bürgerkriegen, sogenannten ethnischen Konflikten, Vertreibungen und Massenmorden geführt hat. Michel Chossudovsky hat diese Zusammenhänge anhand vieler Beispiele aus dem Süden und Norden untersucht. Der Zusammenbruch der nationalen Wirtschaft ist überall eine Folge der sog. "Medizin", d. h. der Austeritätspolitik, die die Weltbank und der IWF diesen Ländern zur "Gesundung" ihrer Wirtschaft aufoktroyiert hat. In Somalia, Ruanda, Peru, Kolumbien, aber jetzt auch in Jugoslawien werden sogenannte "ethnische" oder religiöse Gründe genannt, warum plötzlich ein Teil der verarmten Bevölkerung gegen einen anderen zu Felde zieht.

Genaugenommen sind es die jungen Männer solcher Bevölkerungsteile, die sich dann zu "Nationalen Befreiungsarmeen" zusammenschließen – und die anfangen, ihre Mitmenschen zu massakrieren. Diese "Genozide" würden jedoch nicht explodieren, wenn diese jungen Männer keine Waffen hätten und kein Geld bekämen, solche Waffen zu kaufen. Dieses Geld stammt im Fall der UCK z. T. aus dem Drogenhandel und dem organisierten Verbrechen. Die Waffen stammen z. T. aus Deutschland (Chossudovsky, 1999, Schmidt-Eenboom, Kölner Stadtanzeiger 2. April 1999). In Ruanda kommen die Waffen z. T. aus Israel und Südafrika. Diese direkte Aufrüstung praktisch aller jungen Männer ist begleitet von dem, was Cynthia Enioe die "Ramboisierung" der Männer genannt hat. Das heißt,die neue männliche Identität richtet sich nach dem Modell des Rambo, dem brutalen Macho, der sich selbst das Recht zum Töten nimmt, weil er die überlegene Waffe hat. Da Männer in den meisten dieser verarmten Länder nichts gesellschaftlich Nützliches mehr tun können, drückt man ihnen eine Kalaschnikow in die Hand. Dann sind sie wieder "Männer".

Bei den NATO-Soldaten in Jugoslawien ist es im Grunde nicht anders. Auch für sie gibt es in der globalisierten High-Tech-Wirtschaft kaum noch was Nützliches zu tun. Die mikroelektronische "Revolution" macht sie mehr und mehr überflüssig. Was aber bleibt, ist der Krieg. Krieg schafft Arbeitsplätze und macht aus "Knaben" "Männer". Immer wieder war die Rede davon, daß Deutschland nun durch die Teilnahme am NATO-Krieg"erwachsen" geworden sei.

Wenn nun die NATO "interveniert", um "ethnische Konflikte" zu "befrieden", dann haben wir wieder das alte koloniale Schema vor uns.

1. Das Teile-und-Herrsche-Prinzip,

2. Die Besetzung des Landes als Befriedungs-und Zivilisierungsmission,

3. Die Förderung des militärisch-industriellen Komplexes zu Hause.

Während ich diese Zeilen schreibe, höre ich die Nachricht, daß die Türkei 1.000 Leopardpanzer bei der Bundesrepublik bestellt hat. Der Kanzler Schröder hat zugestimmt, schon mal einen Panzer zum "Testen" zu liefern. Die Einwände, daß die Türkei die Panzer gegen die Kurden einsetzen könnte, daß sie die Menschenrechte verletze, wischt er weg. Mit einem Testpanzer sei ja noch nichts festgelegt. Andererseits argumentierte er aber auch mit den Arbeitsplätzen, die diese Panzerproduktion bei Kraus-Maffei schaffen werde. Denn: "Krieg ist gut für die Wirtschaft".

Aber "Krieg schafft nicht nur Arbeitsplätze". Er ist vor allem gut für die Konzerne, die nun wieder irgendwo profitabel investieren können. Der Golfkrieg zog die USA aus der Rezession der achtziger Jahre. Vermutlich erwarten Schröder und die deutsche Industrie ähnlich Segensreiches vom Balkankrieg. Erst muß Jugoslawien gründlich zerbombt werden, damit man ihm einen Marshallplan verpassen kann, womit es dann wieder aufgebaut werden kann, von deutschen Firmen, versteht sich. Die Industrie-und Handelskammer Dortmund und der Energieriese VEW haben schon im Juni ein Verbindungsbüro in Pristina aufgemacht und "erfolgversprechenden Kontakt" zur Task Force for Reconstruction Kosovo (TAFKO) geknüpft. Der IHK-Präsident, Winfried Materna, betont, das "Bosnien-Fiasko" dürfe sich nicht wiederholen. Damals habe die Bundesrepublik 30 Prozent des Hilfsprogramms finanziert, deutsche Unternehmen aber hätten nur etwa sechs bis acht Prozent des "Orderkuchens" abbekommen (FR 27.7.1999). Schon im April 99 wurde gemeldet, daß der Kosovo-Krieg die US-Rüstungsfirmen anschiebt. Nicht nur wurde der Rüstungsetat um acht Prozent erhöht. Rüstungsfirmen wie Boeing and Lockheed Martin und die Firma Raytheon, die Tomahawk-Raketen produziert, erwarten einen Aufschwung nach dem Kosovokrieg (FR 7.4.1999).

Außerdem wird die "Friedenstruppe" im Kosovo dafür sorgen, daß die neoliberale Agenda für die nächsten 30 Jahre auf dem ganzen Balkan durchgesetzt wird (s. Rambouillet-Vertrag). Natürlich "profitieren" auch Frauen der reichen Länder und Klassen von solchen Kolonialkriegen wie dem jetzigen auf dem Balkan. Das war schon vor hundert Jahren so. Aus diesem Grunde haben auch Frauen solche Kolonialkriege unterstützt. (Mies 1992) Allerdings wird immer deutlicher, daß auch die Frauen in den reichen Ländern letzten Endes nichts von der Kombination Globalisierung-Militarisierung-Ramboisierung zu erwarten haben. Nicht nur werden sie, wie die Frauen des Südens und Ostens (der Billiglohnländer), zu "Callgirls des Globalen Marktes" gemacht, sondern sie werden auch mehr und mehr die Ramboisierung im Alltag erleben. In all unseren Ländern hat die private Gewalt gegen Frauen zugenommen. Heute zeigt sich deutlicher denn je die Wahrheit unseres Slogans: "Frieden im Patriarchat heißt Krieg gegen Frauen". Die Kriegslogik läßt sich eben nicht klinisch rein auf "Out-of-area-Einsätze" einschränken. Viele Frauen berichten, daß ihre Männer viel brutaler waren, wenn sie aus Kriegseinsätzen zurückkamen.

 

Vom MAI zum NATO-Krieg in Jugoslawien

Wer sich in den beiden letzten Jahren intensiv mit dem Multilateralen Abkommen über Investitionen (MAI) und seinen "Klonen" (z. B. der Milleniumrunde in der WTO) befaßt hat, kann nicht umhin, eine Reihe von Parallelen zwischem dem MAI und dem NATO-Krieg in Jugoslawien zu sehen. Da ist

1. die gleiche Zielsetzung, nämlich die Durchsetzung des neoliberalen Wirtschaftsmodells (s. Rambouillet-Vertrag).

2. die Selbstmandatierung: Das MAI, heute die WTO, sind nicht demokratisch legitimiert. Sie operieren unabhängig von UN-Organisationen, die sie zu ersetzen versuchen. Sie machen sich zu quasi gesetzgebenden Instanzen. Die NATO hat sich ebenfalls selbst mandatiert, am UN-Sicherheitsrat vorbei.

3. Unterhöhlung der Demokratie: Das MAI wurde jahrelang an den Parlamenten vorbei hinter verschlossenen Türen verhandelt. Die Bevölkerung wurde nicht informiert. Die Zustimmung der Parlamente zum NATO-Krieg erfolgte, ohne daß die Abgeordneten sich gründlich über die Ursachen und Folgen dieses Krieges informiert hatten. Die Medien beteten brav die Kriegspropaganda nach.

4. Mißachtung/Zerstörung nationaler Souveränität: Die liegt in der zentralen Logik des globalisierten neoliberalen Wirtschaftsmodells. Nationale Souveränität über Wirtschaft und Politik gilt als Hindernis für den "freien" Fluß von Kapital, Waren, Dienstleistungen und muß eingeschränkt werden. Die Klauseln des MAI über Nichtdiskriminierung, Streitschlichtung u. a. zielen genau auf diese Unterminierung nationaler und subnationaler Souveränität. Susan George schreibt zum MAI: "Wieso waren Regierungen bereit, dieses skandalöse Abkommen zu unterschreiben und riesige Teile ihrer nationalen Souveränität aufzugeben, und zwar ohne irgendeinen erkennbaren Nutzen im Austausch? Die einzige Erklärung scheint die zu sein, die Marx und Engels (im Kommunistischen Manifest, M. M.) schon 1848 formulierten, nämlich, daß die moderne Staatsgewalt lediglich der Exekutivausschuß ist, der die Angelegenheiten der Bourgeoisie zu verwalten hat" (George, Juli 1999, Le Monde Diplomatique). Die heutige Bourgeoisie besteht aus riesigen TNKs, die durch ihre Lobbies ihre Wünsche bei der "Staatsgewalt" anmelden. Der NATO-Krieg in Jugoslawien war die Umsetzung dieser Politik mit anderen Mitteln: "Und bist du nicht willig, so brauch ich Gewalt!"

5. Neo-Kolonisierung: Die vom MAI oder von der WTO abhängigen Länder haben keine Möglichkeit mehr zu einer eigenständigen, an den Interessen der Mehrheit orientierten Wirtschaftspolitik. Die reichen Länder und die TNKs dominieren diese Institutionen und setzen ihre Interessen durch sie durch. Kleinere und ärmere Länder werden von ihnen abhängig. Der NATO-Krieg mit seiner Teile-und-Herrsche-Politik und ähnliche "humanitäre" Kriege bereiten den Boden für eine Rekolonisierung der Welt.

 

Literatur

Chossudovsky, Michel (1999); Die Zerschlagung des ehemaligen Jugoslawien und die Rekolonisierung Bosniens. In: Marxistische Blätter, Sonderausgabe zum 1 Mai 1999.

Federici, Silvia (1999): War, Globalization and Reproduction, (unveröffentlichtes Papier).

George, Susan (1999): State Sovereignty under Threat, Le Monde Diplomatique July 1999.

Göbel, Rüdiger (1997): Die Rolle der BRD bei der Zerschlagung Jugoslawiens, Herausgegeben von Institut fächerübergreifenden Studierens und Forschens (IFSF), Postfach 4324, 54233 Trier.

Henderson, Hazel (1993): Paradigms in Progress, Life Beyond Economics, Adamantine Press, London.

Mies, Maria (1992): Patriarchat und Kapital, Frauen in der Internationalen Arbeitsteilung, London, Zed Books.

Mies, Maria (1999): Globalisierung, Militarisierung, Ramboisierung. In: K. Hecht (Hg.): Helm ab zum Gebet? NEIN! Gegen Soldatengottesdienste, Aufrüstung und die Militarisierung der Gesellschaft. Eigenverlag, K. Hecht, Merowingerstr. 31, 50677 Köln.

Schmidt-Eenboom, Erich (1995): Der Schattenkrieger. Klaus Kinkel und der BND, Düsseldorf.