Rechtsanwaltsbüro

 

 

Getzmann Schaller Pinar - Neuer Kamp 25 - 20359 Hamburg-St. Pauli

 

Manfred Getzmann

Joachim Schaller

 

Gül Pinar

- Fachanwältin für Strafrecht -

 

 

 

Landgericht Bonn

1. Zivilkammer

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53111 Bonn

 

 

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Neuer Kamp 25

20359 Hamburg-St. Pauli

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1 O 361/02

 

 

 

In dem Rechtsstreit

 

 

Milenkovic u.a.

 

 

gegen

 

 

Bundesrepublik Deutschland

 

 

 

danken wir für die gewährte Fristverlängerung und nehmen auf die Klagerwiderung der Beklagten vom 19. Dezember 2002 wie folgt Stellung:

 

 

 

1. Vorbemerkung

 

 

 

1.1

 

 

Die Klägerinnen und Kläger nehmen zur Kenntnis, daß die Beklagte die Tatsache, daß die Brücke von Varvarin am 30. Mai 1999 von den Truppen der NATO bombardiert worden ist, nicht bestreiten will. Gleiches gilt für den in der Klagschrift geschilderten Ablauf der Bombardierung. Auch die tödlichen Folgen sowie die verursachten Verletzungen werden nach Art und Umfang nicht substantiiert bestritten.

 

 

Zum umfangreichen Vortrag über die Verletzung des humanitären Völkerrechts – ein tragender Grund der Klage -  kann oder will die Beklagte aus ihrer Sicht „keine Auskunft“ geben.

 

 

Sofern vorgetragen wird, daß Brücken grundsätzlich militärische Ziele i.S.v. Art. 52 Abs. 1 ZP I sein können, ist dies abstrakt richtig.

 

 

Bezogen auf die im vorliegenden Fall allein in Rede stehende Brücke von Varvarin trifft dies aber nicht zu. Gegenteiliges wird auch nicht durch den Verweis auf eine Pressemitteilung der NATO bewiesen.

 

 

Ergänzend zum bisherigen Vortrag über die Beschaffenheit der Brücke soll zu deren fehlender militärstrategischer Bedeutung noch bemerkt werden: Die Brücke wurde während des Krieges für keinerlei Truppenbewegungen genutzt. Schwere Kampftechnik (Panzer/Geschütze) hätte wegen der begrenzten Traglast nicht über die Brücke geführt werden können.

 

 

Beweis: Ggf. Sachverständigengutachten

 

 

Die strategische Hauptlinie für Militärfahrzeuge führte von Serbien in den Kosovo über eine ausgebaute Autobahn an Varvarin vorbei, der Ort liegt ca. 30 km abseits dieses Hauptweges. Nach dem Überqueren der Brücke gelangt man in westlicher (Kosovo)Richtung in bergiges und infrastrukturell schlecht ausgebautes Gebiet.

 

 

Beweis: Ggf. Ortsbesichigung

 

 

 

 

1.2

 

 

Auf den Vortrag der Beklagten zum Kriegsgrund soll nur kurz eingegangen werden.

 

 

Alle Prozeßbeteiligten wissen, daß es für das Bestehen der klägerischen Ansprüche nicht um das ius ad bellum geht.

 

 

Die Behauptung einer „humanitären Krisenintervention“ kann den Bruch des internationalen Rechts nicht rechtfertigen. Der Jugoslawienkrieg 1999 stellte einen schwerwiegenden Verstoß gegen das Gewaltverbot der UN-Charta. Dieser Krieg war nicht durch ein Mandat des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen legitimiert. Nach Buchstabe und Geist der UN-Charta handelte es sich um einen Angriffskrieg. Ein solcher ist nach Art. 26 GG verfassungswidrig. Bereits seine Vorbereitung wird durch § 80 StGB unter Strafe gestellt.

 

 

In der völkerrechtlichen Ausgangssituation unterscheidet sich der Jugolawien-Krieg in nichts von dem allein durch die USA und ihren wenigen Verbündeten geführten     Irakkrieg. Hinsichtlich dessen völkerrechtlicher Bewertung vertritt die Beklagte – die Bundesregierung – dieselbe Position, wie die Kläger dieses Verfahrens für sich in Anspruch nehmen.

 

 

Folgendes muß sich die Beklagte fragen lassen: Warum läßt sie die Zahlung von 200 Millionen Euro für Wiederaufbauhilfe vortragen, verweigert aber die Hilfe beim Aufbau der Brücke von Varvarin? Deren Neubau wurde durch Gelder von im Ausland lebenden Serben finanziert.

 

 

Warum beruft sie sich auf die Leistung von mehreren Millionen Euro für humanitäre Hilfe, verweigert außergerichtlich jedoch Hinterbliebenen und Schwergeschädigten im konkreten Fall jede Zahlung – selbst ohne Anerkennung einer Rechtspflicht?

 

 

Diese Widersprüche und das Einführen des unsäglichen Arguments, es sei „nur in 0,4 bis maximal 0,9 Prozent der Einsatzfälle zu zivilen Opfern (gekommen)“, entwerten das eingangs der Klagerwiderung geäußerte Bedauern gegenüber den Opfern.

 

 

Die Vorbemerkung abschließend ist es mir - der Unterzeichnenden - wichtig zu betonen, daß es  in diesem Verfahren nicht um ein „Tribunal“, sondern um Einzelfallgerechtigkeit geht. Wir stehen nicht am Anfang eines „Musterprozesses“, sondern eines Zivilverfahrens, in welchem die rechtlichen und tatsächlichen Fragestellungen sachlich zu beantworten sind.

 

 

 

2. Zulässigkeit der Klage

 

 

Die gegen die Zulässigkeit der Klage vorgebrachten Einwendungen der Beklagten gehen fehl.

 

 

 

2.1

 

 

Die deutsche Gerichtsbarkeit ist gegeben. Hiergegen sprechen weder der – in diesem Zusammenhang fehlzitierte – Grundsatz der Staatenimmunität noch die Vorschriften zur gerichtlichen Zuständigkeit nach der Zivilprozessordnung.

 

 

 

2.1.1.

 

 

Der Grundsatz der Staatenimmunität besagt, wie von der Beklagten richtig wiedergegeben, daß kein Staat über ein anderes souveränes Völkerrechtssubjekt zu Gericht sitzen darf.

 

 

Vorliegend gibt es jedoch für die Anwendung dieses Grundsatzes keinen Raum. Das Landgericht Bonn wurde durch die Kläger nicht angerufen, um über einen anderen als den deutschen Staat zu Gericht zu sitzen. Die Klage ist in der Bundesrepublik Deutschland anhängig gemacht worden, weil die Bundesregierung auf Schadensersatz verklagt wird. Dies wiederum, weil deutsche Amtsträger einen Pflichtenverstoß begangen haben. Der Pflichtenverstoß liegt darin, daß Amtsträger dem Angriff vom 30. Mai 1999 auf die Brücke von Varvarin – im Rahmen der Entscheidungsgremien der NATO - zugestimmt haben. Klaggegenstand ist der Ersatz des Schadens, der erst durch ein deutsches Verschulden eintreten konnte.

 

 

Im übrigen ist schon aus Erwägungen des Völkerrechts das Bestehen der deutschen Gerichtsbarkeit gegeben. Die Frage, wie ein Haftungsprozeß auszusehen hat, ist zwar im Zusammenhang mit schädigenden Kriegseinsätzen der NATO bislang weder gerichtlich entschieden worden noch findet sich in der juristischen Literatur hierzu etwas Ergiebiges. Analogien können jedoch dem Haftungsrecht der Europäischen Gemeinschaften entnommen werden: Der gemeinschaftsrechtliche Staatshaftungsanspruch ist vor den Gerichten des jeweiligen Mitgliedstaates geltend zu machen.

 

 

 

 

Dabei haben die nationalen Gerichte sogar die ausschließliche Zuständigkeit zur Sachverhaltsfeststellung und dessen Bewertung.

 

 

Vgl. Danwitz DVBl. 1991,1,9.

 

 

Es steht außer Frage, daß diese Verfahrensweise im Gemeinschaftsrecht nicht in ihrer Gesamtheit auf die Haftung der NATO übertragen werden kann. Es entspricht jedoch der gängigen juristischen Praxis, dass für die Entwicklung und Herleitung noch nicht feststehender Rechtsinstitute auf ähnlich gelagerte Sachverhalte zurückgegriffen werden kann.

 

 

 

 

2.1.2.

 

 

Die sachliche Zuständigkeit ist gem. § 71 Abs. 3 GVG gegeben. Örtlich ist das Landgericht Bonn gem. § 18 ZPO zuständig.

 

 

Die Beklagte wird in dieser Sache durch das Bundesministerium für Verteidigung vertreten und dieses hat seinen Hauptsitz in Bonn.

 

 

 

 

2.2. Grundsatz der Anspruchsparallelität

 

 

Die Klägerinnen und Kläger können nach dem Grundsatz der Anspruchsparallelität Individualansprüche gegen die Beklagte geltend machen, ohne sich auf ein durch die Republik Jugoslawien auszuübendes diplomatisches Schutzrecht verweisen lassen zu müssen.

 

 

Hierzu ist in der Klagschrift umfänglich vorgetragen worden.

 

 

 

 

Die Beklagte missachtet den Grundsatz der Anspruchsparallelität, den das Bundesverfassungsgericht – auf Vorlage des erkennenden Gerichts in einem anderen Verfahren – aus der Entwicklung des modernen Völkerrechts ableitet und ausführlich begründet.

 

Vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.5.1996 – 2 BvL 33/93, NJW 1996, 2717 ff

 

 

Die Beklagte unterscheidet in ihren Ausführungen nicht zwischen allgemeinen Reparationsansprüchen, die jeweils Staaten gegeneinander geltend machen können und Schadensersatzansprüchen von Bürgern gegen Staaten. Sie übersieht, daß es sich um zwei unterschiedliche Ansprüche handelt: Einen, der sich aus der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit zwischen den in kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligten Staaten ergibt, und einen weiteren, der aus dem nationalen Deliktsrecht als Schadensersatzanspruch des geschädigten Einzelnen entsteht und für den die Verletzung des Völkerrechts die Begründung für die Rechtswidrigkeit liefert. Sie übersieht, daß die Art. 3 der IV Haager Konvention und 91 des Zusatzprotokolls I parallel zwei Anspruchsgrundlagen eröffnen.

 

 

Die Hinweis der Beklagten auf die fehlende Völkerrechtssubjektivität von Einzelpersonen und den Grundsatz der Mediatisierung, der von der Beklagten verabsolutiert wird, beruht auf einer irrigen Auslegung der genannten Artikel.

 

 

Er ignoriert, daß nach dem Zweiten Weltkrieg die Geltungskraft der Menschenrechte im internationalen Recht verstärkt worden sind und das Völkerrecht sich weiterentwickelt hat: weg vom alten Grundsatz des staatlichen Monopols für die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche im internationalen Recht hin zu Anerkennung individueller Ansprüche.

 

 

Vgl. B. Graefrath, Schadenersatzansprüche wegen Verletzung humanitären Völkerrechts,  in: Humanitäres Völkerrecht, Bd. 14, 2001, S. 110;  Beschluß des BVerfG v. 13. 5. 1996, NJW 1996,2717, 2719.

 

 

Die neuen Anforderungen an das Völkerrecht sind dabei nur zu offensichtlich: Es werden Kriege geführt, die mit dem geltendenden Völkerrecht nicht vereinbar sind. So beispielsweise auch der Irak-Krieg 2003. Wie sollen die hierbei entstandenen sogenannten „Kollateralschäden“ repariert werden? Welcher Staat wäre in der Lage, nach einem völkerrechtlich verbotenen Krieg, den er aus dem Kräftevergleich nicht hat verhindern können, Ansprüche seiner Bürger durchzusetzen?

 

2.3.

 

Grundsätzlich besteht keine Exklusivität der Staatenpraxis auf Mediatisierung von Ersatzansprüchen.

 

Soweit Friedensverträge Individualforderungen ausschließen, regeln sie die Ansprüche der Staatsangehörigen ausdrücklich neben den Forderungen der Staaten.“

 

Vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.5.1996 – 2 BvL 33/93, NJW 1996, 2717, 2719.

 

 

Nicht zutreffend ist deshalb die Behauptung der Beklagten, der Ausschluß von Individualforderungen für erlittenes Kriegsunrecht sei in der Staatenpraxis vorbehaltlos anerkannt.

 

 

Daß der Einzelne nicht mehr nur bloßes Objekt des Völkerrechts ist, das nur über das Medium seines Staates mit dem internationalen Recht verbunden ist, sondern auch selbst Träger von Rechten und Pflichten sein kann, hat auch das OVG Münster

 

vgl. OVG Münster, Urt. v. 19.11.1997, NJW 1998,2302,2304

 

 

festgestellt. Dies soll insbesondere auch für die Rechtsposition von Einzelpersonen in einem bewaffneten Konflikt gelten, der durch das völkerrechtliche Kriegsrecht geregelt ist.

 

 

Zur von der Beklagten behaupteten Exklusivität einer Mediatisierung des Ausgleichs von Kriegsschäden war bereits in der Klage darauf verwiesen worden, daß das humanitäre Völkerrecht – neben Reparationsleistungen von Staat zu Staat – individuelle Ansprüche nicht ausschließt:

 

 

Bereits nach dem 1. Weltkrieg sind Schadensersatzansprüche US-amerikanischer Bürger wegen Verletzung des Kriegsrechts neben und unabhängig von den allge-

 

 

 

meinen Reparationsansprüchen gegenüber Deutschland erhoben und durch Entscheidungen der amerikanisch-deutschen Mixed Claims Commission entschieden worden.

 

Vgl. Graefrath, Schadenersatzansprüche wegen Verletzung humanitären Völkerrechts,  in: Humanitäres Völkerrecht, Bd.14, 2001, 110.

 

 

Beispiele aus neuerer Zeit finden sich u.a. in den Friedensverträgen von 1947. So z.B. im Friedensvertrag der Alliierten mit Italien vom 10. 2. 1947 Artikel 76 Abs.1:

 

 

"Italien verzichtet gegenüber den Alliierten und Assoziierten Mächten auf alle Forderungen und Ansprüche der italienischen Regierung oder italienischer Staatsangehöriger, die unmittelbar durch den Krieg entstanden sind..."

 

und Artikel 80:

 

"Die Alliierten und Assoziierten Mächte erklären, daß die ihnen nach den Artikeln 74 und 79 des vorliegenden Vertrages zugestandenen Rechte alle ihre Forderungen und diejenigen ihrer Staatsangehörigen einschließen, die sich aus Verlusten oder Schäden ergeben, die infolge von Kriegshandlungen entstanden sind.".

 

 

Vgl. Graefrath, Schadenersatzansprüche wegen Verletzung humanitären Völkerrechts,  in: Humanitäres Völkerrecht, Bd.14, 2001, 110; vgl. BVerfG, Beschl. v. 13.5.1996 – 2 BvL 33/93, NJW 1996, 2717 ff.

 

 

Auch die von der Beklagten gegebenen Beispiele für die Geltendmachung von Ansprüchen geschädigter Bürger durch ihren Staat gegen den Schädigerstaat erlauben keine Berufung auf eine exklusive Staatenpraxis. Die Hilfestellung des Heimatstaates bei der Anspruchsdurchsetzung zu nutzen, schließt es nicht aus, daß die geschädigte Person bei den Gerichten des Schädigerstaates ihre Schäden individuell einklagt.

 

 

 

Ein Beispiel mag dies erläutern:

 

 

Die Beklagte beruft sich darauf (S. 13f ihres Schriftsatzes), daß Hinterbliebene der durch einen NATO-Angriff getöteten chinesischen Bürger in der Belgrader Botschaft durch die Volksrepublik China Ansprüche gegenüber den USA geltend gemacht und durchgesetzt hätten. Das ist richtig. Dadurch wurde eine rasche Regulierung erreicht und ein umständlicher, kostenaufwendiger und für die – sicherlich nicht finanzkräftigen – chinesischen Staatsangehörigen beschwerlich zu organisierender Zivilprozeß in den USA vermieden.

 

 

Will die Beklagte aber ernstlich bestreiten, daß ein solches Verfahren vor einem Gericht in den Vereinigten Staaten zulässig gewesen wäre und zu einem Prozeßerfolg geführt hätte?

 

 

Ein weiteres Beispiel mag dies erläutern. Im August 1998 kam es zu einem US-amerikanischen Raketenangriff auf die Arzneimittelfabrik Al Shifa in Khartoum/Sudan. Hintergrund waren die Vergeltung von Attentaten auf zwei Botschaften der USA in Afrika und die Behauptung, in der Fabrik würden Komponenten für chemische Waffen hergestellt. Der private Eigentümer der Fabrik, Salah Idris – ein finanzkräftiger Multimillionär – beauftragte ein Anwaltsbüro in Washington mit der Erhebung einer Schadensersatzklage wegen der Zerstörung seines Eigentums ohne Mithilfe der sudanesischen Regierung.

 

 

Vgl. Sally B. Donnelly and Adam Zagorin: Being the U.S. Means Hardly Ever Saying Sorry, Time Magazine v. 16.August 1999, Anlage 1.

 

 

Das diplomatische Schutzrecht in Anspruch zu nehmen, hat für den Einzelnen den Vorteil, daß er die u.U. schwierige und teure Rechtsfeststellung und Durchsetzung nicht selbst betreiben muß. Es hat den Nachteil, daß die geschädigte Person in aller Regel keinen Anspruch auf das diplomatische Schutzrecht hat.

 

 

Für den schwächeren Staat ist es kaum möglich, Ansprüche seiner Staatsangehörigen gegenüber einem stärkeren Staat geltend zu machen, geschweige denn diesedurchzusetzen. Infolgedessen sind selten Ansprüche aus Verletzung von Kriegsrecht von Staatsangehörigen eines besiegten Staates gegenüber dem Sieger geltend gemacht worden. Das heißt jedoch nicht, daß sie nicht bestanden.

 

 

Vgl. Wolfram in Dieter Fleck (Hg.), Handbuch des humanitären Völkerrechts in bewaffneten Konflikten, München 1994.

 

 

 

Auch mit der Befürchtung, es würde zu einem „Wettlauf der Antragsteller“, gar zu diplomatischen Verwicklungen oder einer Überforderung der Zivilgerichte kommen, kann die Beklagte nicht durchdringen.

 

 

Solche Erwägungen sind (macht)politischer Art und berühren die Position der Kläger hinsichtlich der Gestaltungsmöglichkeiten des internationalen Rechts in ihrer Sache nicht.

 

 

Von einer „Klagewelle“ kann beispielsweise nach dem Jugoslawienkrieg 1999 nicht die Rede sein. Obwohl es nach dem Vortrag auf Seite 24 der Anlage 2 der Beklagten ungefähr 495 getötete Zivilisten gab (für die Beklagte eine geringe „Quote“, aber immerhin Menschen, die real gelebt haben), wurden von weniger als drei Prozent der Angehörigen Klagen erhoben.

 

 

Auch ist die Anerkennung einer Aktivlegitimation des durch völkerrechtswidrige Kriegsereignisse geschädigten Individuums ohne weiteres praktisch zu handhaben:

 

 

Nach dem Krieg Irak ./. Kuweit 1991 bestanden hunderttausende von Ersatzansprüchen. Unter der Moderation der UNO wurde dann ein spezielles System („Kompensationskommission“) zur Feststellung und Sicherung dieser Individualansprüche geschaffen. Der Heimatstaat der dortigen Anspruchsteller diente dabei nur als Administrator. Er bestätigte anspruchsbegründende Angaben, sammelte die Klagen und übermittelte sie der multistaatlichen Kompensationskommission. Diese konnte die Vielzahl der Klage zum größten Teil zeitnah und kostenökonomisch entscheiden und aus beschlagnahmten irakischem Vermögen befriedigen. Es blieb den Klägern aber freigestellt, ob sie diesen an ein Gerichtsverfahren angelehnten Weg gehen wollten oder Klage vor nationalen Gerichten erheben wollten.

 

 

Vgl. Graefrath aaO.

 

 

 

2.4. 

 

 

Nicht zu folgen ist der Beklagten auch mit ihrer Behauptung, der gerichtliche Menschenrechtsschutz stelle einen der wenigen Ausnahmefälle für die Anerkennung der Völkerrechtsubjektivität von Individualpersonen dar.

 

 

Keine längere Ausführungen beabsichtigend, sei noch kurz auf zwei andere Entwicklungen hingewiesen:

 

 

Mit dem Inkrafttreten des Statuts des Ständigen Internationalen Strafgerichtshofs zum 1.7.2002, schuf die Staatengemeinschaft für den Bereich des Völkerstrafrechts – sofern die Voraussetzungen der Art. 5, 25 des Statuts des ICC vorliegen – die ständige Möglichkeit in einem justizförmigen Verfahren Individuen anzuklagen und gegebenenfalls zu verurteilen. Dies ergänzt auf der „Täterseite“ Sanktionsmöglichkeiten gegenüber dem Staat, wie sie sich aus Kapitel 7 der UN-Charta ergeben, und zeigt die Tendenz zur weiteren Individualisierung internationalen Rechts neben dem gerichtsförmigen Menschenrechtsschutz auf.

 

 

Vgl. Carsten Stahn, Internationaler Menscherrechtsschutz- und Völkerstrafrecht, KJ 1999, 343ff.

 

 

Verwiesen werden soll auch auf aktuelle wissenschaftliche und staatlich-politische

Diskussionen und Praktiken, die als human security Konzepte oder Weltinnenpolitik diskutiert und umgesetzt werden.

 

Vgl. W. von Bredow, FAZ vom 12.3.200, S.6, Anlage 2.

 

 

Gemeint ist die Tendenz, daß das traditionelle zwischenstaatliche Völkerrecht in seiner Reichweite und Geltung auf substaatliche Akteure und Sachverhalte jenseits der Ebene der Staaten ausgedehnt wird. Auf der praktischen Ebene gibt es eine Gruppe von Staaten – zu denen die Beklagte nicht gehört - , die das programmatische Konzept „menschliche Sicherheit“ vertreten. Es stellt nicht Staaten und Ordnungen, sondern Individuen in den Mittelpunkt. Deren aktuelle oder langfristig angelegte Bedrohung – wie der Schutz von Zivilisten – soll verringert werden. Zu Ergebnissen dieser Entwicklung – zu der auch Nichtregierungsorganisationen beitragen - , gehört neben der Errichtung des Internationalen Strafgerichtshofs z.B. das Abkommen über das Verbot von Antipersonenminen von 1997.

 

 

 

2.5.

 

 

Die von der Beklagten angeführten Urteile deutscher Gerichte – soweit diese überhaupt in Rechtskraft erwachsen sind – können hier nicht herangezogen werden.

 

 

Zu den Gründen der Klagabweisung gehören in den genannten aber nicht einschlägigen Urteilen das Vorliegen einer abschließenden friedensvertraglichen Regelung oder spezialgesetzliche Vorschriften über die Entschädigung von Kriegsfolgen, die die dortigen Kläger nicht erfüllen. Bekanntlich existieren im vorliegenden Fall keine Friedensabkommen oder gesetzlichen Regelungen.

 

 

Ferner bezieht sich der dortige Sachverhalt auf Ansprüche aus den Jahren 1939 bis 1945, während hier über aktuelle Ansprüche zu entscheiden ist. Die Beklagte soll dort als Rechtsnachfolgerin des Deutschen Reichs in Anspruch genommen werden, während sie hier unmittelbar als Subjekt gehandelt hat. In den bisherigen Urteilen handelt es sich um Kriegshandlungen eines Unrechtsregimes, während hier ein demokratischer Rechtsstaat auf der Beklagtenseite steht.

 

 

Schließlich hat die Entwicklung vom klassischen zum modernen Völkerrecht – besonders hinsichtlich der Stärkung der Menschenrechte und deren Schutz – erst nach 1945 bedeutende Entwicklungen vollzogen.

 

 

Vgl. Paech/Stuby, Völkerrecht und Machtpolitik in den internationalen Beziehungen, Hamburg 2001, S. 644ff.

 

 

Auch die von der Beklagten teilweise als Anlagen eingereichten internationalen Urteile führen zu keinem anderen Ergebnis.

 

 

Die Gemeinsamkeit der vorliegenden Klage mit den von der Beklagten eingeführten Urteilen ist die Dokumentierung der mittlerweile eingetretenen Justizpraxis. Deutlich wird, daß weltweit mehrere Gerichte mit der Fragestellung, wie Entschädigungsansprüche von natürlichen Personen aus Kriegsschäden zu befriedigen sind, befasst wurden.

 

 

Diese Urteile haben keine Bindungswirkung. Eine differenzierte Betrachtung belegt auch, daß die tragenden Gründe mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar sind.

 

 

 

Das in der Erwiderung zitierte kanadische Urteil weist die Klage ab, weil nach kanadischem Recht eine zivilrechtliche Haftung für politische Akte der Regierung ausgeschlossen wird. Es ist deshalb für den vorliegend Fall nicht relevant. Ferner war keiner der dortigen Kläger unmittelbar durch Kriegshandlung geschädigt oder Erbe einer getöteten Person.

 

 

Auch das Tokioter Urteil befasst sich nicht mit einer zivilrechtlichen Klage wegen der Verletzung von Menschenrechten, sondern ausschließlich mit der Möglichkeit einer individuellen Geltendmachung völkerrechtlicher Ansprüche aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges. Hierbei bleibt noch anzumerken, daß das Urteil weder autorisiert übersetzt, noch rechtskräftig ist.

 

 

Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte im Fall Bankovic betrifft den vorliegenden Fall deshalb nicht, weil die Kläger im vorliegenden Fall ihre Ansprüche nicht auf eine Verletzung der EMRK, sondern auf Verletzung der im deutschen Recht verankerten Menschenrechte und Staatshaftungsansprüche stützen. Im dortigen Verfahren erfolgte die Abweisung, weil die Kläger nicht – wie Art. 1 EMRK fordert – der Herrschaftsgewalt der beklagten Staaten zum Zeitpunkt der Angriffe unterlagen. Dieses Rechtsproblem tritt im vorliegenden Fall nicht auf.

 

 

Der Amsterdamer Gerichtshof – die Entscheidung ist unübersetzt geblieben – hatte nach Kriegsbeginn über die Berechtigung der niederländischen Regierung zur Teilnahme am NATO-Krieg zu entscheiden. Die Klagbefugnis wurde nicht bestritten, aber trotz Feststellung der Verletzung der UN-Charta, wurde die staatliche Entscheidung unter dem Gesichtspunkt einer „humanitären Intervention“ für gerechtfertigt erachtet. Um diese Klagkonstellation der Legitimität zum Kriegsbeitritt geht es hier nicht.

 

 

 

 

3. Begründetheit

 

 

 

3.1.

 

 

Für die Anwendbarkeit des deutschen Rechts ist entgegen der Auffassung der Beklagten – das Vorliegen eine Amtshaftungsanspruchs zwar gegeben, nicht aber erforderlich. Denn die Kläger sind auch nach dem allgemeinen Deliktsrecht zu entschädigen.

 

 

Die Tatsache, dass die Bomben auf serbischen Boden gefallen sind, schließt eine Haftung der Beklagten nach §§ 823 ff BGB nicht aus. Zwar fanden die Angriffe und die daraus resultierenden Verletzungen auf serbischen  Boden statt, jedoch liegt dort nur der Erfolgsort. Maßgebend ist die Entscheidung der deutschen Regierung zur Teilnahme an kriegerischen Handlungen der NATO. Ein wirksamer Beschluss der NATO wäre ohne die Zustimmung aller Mitgliedstaaten nicht zustande gekommen. Diese Entscheidung und somit auch der Handlungsort lag im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland.

 

 

Für den Fall der Bezugnahme auf die Beschlüsse des NATO-Rates ist auf die Zustimmung deutscher Vertreter abzustellen. Bereits der militärischer Sprecher der NATO im Kosovo-Konflikt, Generalleutnant Walter Jertz, hat dazu ausgeführt, dass sämtliche militärische Vorstellungen und Ziele mit den einzelnen Nationen abgestimmt werden mussten und dass bei fehlendem Einverständnis einer Nation das Ziel von der Liste gestrichen werden musste.

 

Gem. Art. 40 Abs. 1 S.1 EGBGB unterliegen Ansprüche aus unerlaubter Handlung dem Recht des Staates, in dem der Ersatzpflichtige gehandelt hat. Für diese Tatortregel ist entscheidend, in welchem Staat der haftungsbegründende Tatbestand verwirklicht wurde.

 

 

Vgl. Palandt/Heldrich, 61. Auf., Art. 40 EGBGB RN 3.

 

 

Liegen Handlungsort und Erfolgsort in verschiedenen Staaten, so entscheidet primär das Recht des Handlungsortes, an welchem die für den Eintritt der Rechtsgutsverletzung maßgebliche Folge gesetzt wurde.

 

Vgl. Palandt/Heldrich aaO..

 

 

 

Für den Fall, dass die Beklagte behauptet, die zustimmenden Beschlüsse seien nicht auf deutschem Boden erfolgt, so müsste sie dafür den Beweis antreten. Allein für diesen Fall, weil dann sowohl der Handlungs- wie auch der Erfolgsort im Ausland gelegen hätten, wäre ausschließlich auf das Staatshaftungsrecht zurückzugreifen.

 

 

 

Zu den Tatbestandsvoraussetzungen einer Haftung der Beklagten nach den §§ 823 ff BGB wird auf die ausführlichen Erörterungen der Klagschrift Bezug genommen.

 

 

 

3.2.

 

 

Das deutsche Staatshaftungsrecht ist vorliegend anwendbar.

 

 

Zwar wurde das Staatshaftungsrecht in Kriegsfällen in der bisherigen Rechtsprechung und in dem überwiegenden Teil der Literatur als ausgeschlossen betrachtet. Dieser Betrachtungsweise lag – wie auch die Beklagte auf Seite 25 der Klagerwiderung ausführt - zugrunde, daß kriegerische Auseinandersetzungen den geordneten Staatsgang außer Kraft setzten.

 

 

Davon kann hier keine Rede sein. Zum Zeitpunkt der in Rede stehenden NATO-Angriffe bestand – bezogen auf die innerstaatliche Situation des jeweiligen NATO-Mitgliedstaates – kein solcher Ausnahmezustand.

 

 

Die kriegsführenden Staaten hatten während der Angriffe auf Jugoslawien voll funktionierende Staatswesen. Daher verbietet sich insoweit die Heranziehung der Entscheidung des OVG Münster vom 19.11.1997.

 

Vgl. OVG Münster, Urt. v. 19.11.1997, NJW 1998,2302,2305.

 

„Ein Anspruch auf Vergütung der geleisteten Zwangsarbeit besteht nicht nach § 839 BGB i.V.m. Art 34 GG. Der Gewahrsamsstaat hat für die Verletzung des Art. 27 III GKGA allein nach völkerrechtlichen Regeln einzustehen. Daneben besteht kein Anspruch des Geschädigten nach innerstaatlichem Recht. Im Kriegsfalle tritt insoweit an die Stelle des Individualschutzes durch die jeweilige staatliche Rechtsordnung das Völkerrecht und dessen Instrumentarien zur Sicherung seiner Beachtung.“

 

 

 

Im Unterschied zum Sachverhalt, den das OVG Münster zu entscheiden hatte, sind die innerstaatlichen Funktionen der NATO-Mitgliedstaaten im Jugoslawien-Krieg 1999 geführten Angriffen nicht beeinträchtigt.

 

 

Völkerrechtlich gibt es ferner für die während des Jugoslawienkrieges entstandenen Schäden keine Sonderregulierungsvorschriften, die mit dem Bundesentschädigungsgesetz vergleichbar wären.

 

 

Die Entscheidung des OLG Köln

 

vgl. OLG Köln, Urt. v. 27.08.1998, OLGR Köln 1999, 5ff

 

 

ist nicht dahingehend zu verstehen ist, daß individualrechtliche Ansprüche per se ausgeschlossen sind. Vielmehr weist die Entschädigung daraufhin, daß gerade individualrechtliche Ansprüche in Form des Bundesentschädigungsgesetzes manifestiert werden. Mit der Kodifizierung des Bundesentschädigungsgesetzes ist eine abschließende Regelung hinsichtlich der Haftung für Verfolgungsschäden aus der NS-Zeit getroffen worden. Da eine vergleichbare innerstaatliche Regelung bezüglich der Entschädigung von Kriegsopfern im Jugoslawien-Krieg nicht besteht, leben amtshaftungsrechtliche Ansprüche auf.

 

 

 

3.3.

 

 

 

Der Schadensersatzanspruch aus dem Staatshaftungsrecht gem. § 839 Abs.1 S.1 BGB i.V.m. Art. 34 GG ist gegeben.

 

 

Dieser Grundsatz gilt auch im Völkerrecht. Er findet insbesondere gegenüber Zivilpersonen Anwendung, die überhaupt nicht in der Lage sind herauszufinden oder zu beweisen, welcher NATO-Staat für die Verursachung der Schäden verantwortlich ist.

 

 

Vgl. BGH, Urt. v. 27.05.1993, NJW 1993, 2173.

 

 

3.4.

 

Diesseits wird nicht bestritten, dass die Beklagte (deren Truppen) anscheinend die Bomben auf Jugoslawien nicht selbst abgeworfen hat (haben).

Die Behauptung der Beklagten, deutsche Flugzeuge seien im Jugoslawien-Krieg nicht im Einsatz gewesen wird der Klarstellung halber bestritten.

 

Der Einsatzgeschwader 1 der Deutschen Luftwaffe, das seit Juli1995 auf dem italienischen Stützpunkt SanDamiano bei Piacenza stationiert war, hatte 14 Tornados im Einsatz.

 

Jedenfalls in der Zeit vom 24. März 1999 bis zum 31. März 1999 flogen deutsche Flugzeuge fast jede Nacht Einsätze in Jugoslawien.

 

Vgl. Stern vom 31.03.1999, Anlage 3.

 

Die Kläger können nicht vortragen, wann diese Einsätze aufhörten. Sie wissen aber, dass deutsche Flugzeuge eingesetzt waren für Aufklärungen und für das Tanken von weiteren Flugzeugen. Die Maschinen der deutschen Luftwaffe waren arbeitsteilig an der Luftkriegsführung der NATO beteiligt.

 

Vgl. Stern aaO.

 

Der Beitrag der Beklagten kann nicht hinweggedacht werden, ohne dass der konkrete Erfolg entfiele.

Vorgehendes nur zur Verdeutlichung, da es mangels zugänglicher Information eine vollständige Sachverhalsaufklärung jedenfalls für die Kläger nahezu unmöglich ist. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist nämlich für das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen unerheblich, ob deutsche Flugzeuge die Bombenangriffe während des Jugoslawienkrieges selbst durchgeführt haben.

 

 

 

Die Beklagte haftet aus dem Grundsatz der Gesamtschuldnerschaft, denn die Ansprüche der Klägerinnen und Kläger richten sich gegen jeden der einzelnen NATO-Staaten, d.h. jeder dieser Staaten haftet für das Ganze. Wie dem Wesen der gesamtschuldnerischen Haftung Eigen, haben die Kläger das Wahlrecht, wen sie als Schuldner heranziehen.

 

Der Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung gilt auch im Völkerrecht.

 

Auch hier wird auf die Ausführungen der Klagschrift Bezug genommen, worin festgehalten wurde, dass auf den gesamtschuldnerischen Haftungsgrundsatz in der Völkerrechtskommission der UNO bei der Diskussion des 3. Berichts von James Crawford ausdrücklich verwiesen wurde.

Die Völkerrechtskommission der UNO benennt die Regel, dass jeder Staat für sich, für das ihm zurechenbaren Verhalten verantwortlich ist und dass seine Verantwortlichkeit nicht durch die Tatsache gemindert wird, dass ein anderer Staat (oder Staaten) ebenfalls für dieses Verhalten verantwortlich sind.

 

Vgl. A/CN.4/507/Add.2, v. 10 July 2000, p. 20 f. (27); vgl. auch den Bericht der ILC A/55/10, p. 77, 84, 136 (neuer Art. 48).

 

 

Auch der Hinweis in der Klagschrift auf den Grundsatz der gesamtschuldnerischen Haftung im Truppenstatut der NATO bei Drittschäden soll hier noch einmal aufgegriffen werden. Der Haftungsgrundsatz des Truppenstatuts zeigt nämlich auf, dass der NATO die gesamtschuldnerische Haftung nicht fremd ist.

 

Dazu sollte festgehalten werden, dass der Truppenstatut lediglich als Beispiel zitiert worden ist. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Statut nur zwischen den beteiligten Staaten gilt.

 

Wenn die Beklagte ausführt (S.21) , dass „grundsätzlich nur die beteiligten Nationen, nicht aber die anderen NATO-Vertragsparteien für die verursachten Schäden haften,“ so lässt sich dem zum einen entgegen halten, dass das NATO-Truppenstatut für den vorliegenden Fall nicht direkt anwendbar ist.

 

 

Zum anderen, und noch viel wesentlicher ist auch die Tatsache, dass die Bundesrepublik als Verursacher eben nicht ausscheidet, da sie nicht nur mit 14 Tornados an den Luftangriffe beteiligt war, sondern auch an der Planung, Beschlußfassung und Durchführung der  NATO-Militäraktion gegen Jugoslawien voll verantwortlich teilgenommen hat.

 

3.5.

 

Es existiert keine spezielle Haftungsregelung der NATO für den Fall der Verletzung von Regeln, die in bewaffneten Konflikten gelten. Daher gelten die allgemeinen Grundsätze des Völkerrechts hinsichtlich der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit und Haftung internationaler Organisationen.

 

Jede Verletzung einer Völkerrechtsregel stellt ein völkerrechtliches Unrecht dar. Der souveräne Staat ist das Normalsubjekt des Völkerrechts. Dennoch kann auch eine internationale Organisation Subjekt und Objekt völkerrechtlichen Unrechts sein.

 

Weder das Völkervertrags- noch das Völkergewohnheitsrecht sehen Regeln vor, die an der Verleihung von Rechtssubjektivität an die internationale Organisation die Rechtsfolge knüpfen, daß eine Haftung der Mitgliedstaaten nunmehr ausgeschlossen ist oder besteht.

 

Vgl. Ipsen, 4. Aufl., München 1999,  § 31 RN 40.

 

Einen allgemeinen Grundsatz der haftungsrechtlichen Trennung von Internationaler Organisation und Mitgliedstaaten gibt es im Völkerrecht nicht.

 

Vgl. Ipsen, 4. Aufl., München 1999,  § 31 RN 40.

 

 

„Da die im Schrifttum vertretenen Auffassungen von der parallelen Haftung von Mitgliedstaaten und Organisation und der subsidiären Haftung der Mitgliedstaaten über die Einzelfallbetrachtung bis zum völligen Haftungsausschluß der Mitgliedstaaten reicht,“

 

vgl. Ipsen, 4. Aufl., München 1999,  § 31 RN 40,

 

ist vorliegend eine Einzelfallbetrachtung notwendig.

 

Bereits die Völkerrechtssubjektivität der NATO ist derart eingeschränkt, daß die Verträge über das Statut der NATO-Truppen (in Friedenszeiten) nicht zwischen der NATO und dem Aufenthaltsstaat abgeschlossen werden. Vielmehr handelt es sich um einen Vertrag zwischen den beteiligten NATO-Staaten. Alle Haftungsfragen werden nicht mit der NATO als Internationale Organisation, sondern zwischen Aufnahmestaat und Entsendestaat geregelt.

 

Selbst wenn eine Haftung der NATO als internationale Organisation in Betracht käme, so würde das nicht die parallele Haftung der Mitgliedstaaten ausschließen.

 

 

Wenn Regierungen eine internationale Organisation gründen, um eine staatliche Aufgabe wahrzunehmen, sei es um den internationalen Verkehr zu regeln, oder um die Warenpreise zu stabilisieren, dann übernehmen sie eine öffentliche und keine privatrechtliche Funktion. Deshalb können sie sich nicht darauf berufen, ihre Haftung sei beschränkt. Diese Verantwortung bringt Haftbarkeit mit sich.

 

 

Staaten dürfen ihre Verantwortlichkeit nicht dadurch beschränken können, dass sie eigene Aufgaben durch internationale Organisationen wahrnehmen lassen. Dabei muß berücksichtigt werden , dass internationale Organisationen lediglich einen Zusammenschluß von Staaten beinhalten und dass diese Staaten voll verantwortlich für das rechtmäßige Funktionieren der Organisationen sind.

 

Vgl. H. G. Schermers, Liability of international organizations, in: Leiden Journal of International Law, 1988, p. 3f. (9), Anlage 4; vgl. auch I. Seidl-Hohenveldern, Piercing the Corporate Veil of International Organizations: The International Tin Council Case in the English Court of Appeal, in: 32  german Yearbook of International law, 1989, p. 43 (47), Anlage 5.

 

 

3.6.

 

Auch das Verschulden deutscher Staatshaftungsträger und deren Amtspflicht im Lichte des humanitären Völkerrechts ist gegeben. Um Wiederholungen zu vermeiden wird hierzu auf die Ausführungen der Klagschrift Bezug genommen.

 

Ergänzend wird hinsichtlich der Amtspflichtverletzung sowie der Drittbezogenheit der Amtspflicht darauf verwiesen, dass eine Amtspflicht zur Schonung unbeteiligter Dritter als solche besteht.

 

Vgl. Palandt/Thomas, 61. Auflage, § 839, RN 40 ff.

 

Daraus lässt sich ableiten, dass es einer Spezifizierung der in Frage kommenden Dritten nicht bedarf.

 

 

3.7.

 

Für den Fall, dass weiterer Vortrag als notwendig erachtet wird, wird um richterlichen Hinweis gebeten.

 

Die Rechtsanwältin